Lufthunger
ist ein Symptom, das wohl den meisten ME-Patienten nur allzu bekannt sein
dürfte. Je schwerer die Erkrankung, desto häufiger scheint dieses Phänomen, das
auch als Luftnot, Atemnot, Kurzatmigkeit, mühsame Atmung, Dyspnoe oder Atemlosigkeit
umschrieben wird, aufzutreten. Dieses Symptom gehört zu den ME-typischen
Beeinträchtigungen in Energieproduktion und –transport, und zwar zur
Unterkategorie der respiratorischen Störungen. Es ist eines der als besonders
unangenehm empfundenen Symptome, weil es angsteinflößend sein kann und bei
manchen Patienten sogar einen Panikanfall auslöst.
Die
gute Nachricht ist, dass es ein kleines Wundermittel dagegen gibt und das auch
noch gratis!
Doch
der Reihe nach. Denn zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, wodurch
dieser Lufthunger entsteht und welche physiologischen Vorgänge dahinterstecken.
ME-Patienten haben oft das subjektive Gefühl, nicht genügend
Luft, nicht ausreichend Sauerstoff zu bekommen. Sie spüren aber auch, dass ihre
Glieder und das Gewebe tatsächlich sauerstoffunterversorgt sind und reagieren auf
den Mangel mit betont tiefen Atemzügen, mit Gähnen, Seufzen, Hüsteln und
Luftschlucken oder aber auch mit einer flachen, schnellen Atmung.
Doch die schnelle Atmung durch den Mund und ebenso auch
das tiefe Atemholen führen zu zahlreichen unangenehmen und beeinträchtigenden
Symptomen wie Schwindel, Benommenheit, Zittern, Sehstörungen, Blähungen,
Aufstoßen, Bauchschmerzen, Schluckstörungen, Muskelkater, Muskelzucken,
Muskelspasmen, Krämpfen, Missempfindungen, Kribbeln und Taubheit der Hände und
Füße und rund um den Mund herum, zu Panikattacken und sogar Ohnmachtsanfällen. Viele ME-Patienten können auch über ein
lebhaftes Traumgeschehen und Albträume berichten und nicht wenige wachen häufiger
mal mit eingeschlafenen Gliedern oder mit verkrampften Händen in der
sogenannten „Pfötchenstellung“ auf.
Diese Symptome werden durch Hyperventilation ausgelöst,
die bei ME-Patienten auch im Schlaf auftritt. Die gesteigerte Atemtätigkeit
führt zu einer gesteigerten Lungenbelüftung. Dadurch erhöht sich der
Sauerstoffgehalt des Blutes, während der Kohlendioxidgehalt sich vermindert, was
zu den aufgezählten Symptomen führen kann. Die Verminderung des
Kohlendioxidgehaltes im Blut bewirkt nämlich, dass sich der Sauerstoff fester
an das Hämoglobin in den roten Blutkörperchen bindet, was den
Sauerstofftransport ins Gewebe verschlechtert.
Um aber
den Sauerstofftransport ins Gewebe zu verbessern, muss man weniger einatmen und mehr ausatmen, obwohl das
subjektive Gefühl genau das Gegenteil suggeriert. Es
klingt also zunächst paradox. Doch erst die Normalisierung der
Kohlendioxidkonzentration sorgt für eine Verbesserung der Sauerstoffversorgung
des Gewebes.
Eine zu niedrige Konzentration hingegen lässt den ph-Wert
des Bluts ansteigen und verursacht eine sogenannte respiratorische Alkalose.
Weil durch die gesteigerte Atmung zu viel Kohlendioxid abgegeben wird, steigt
der ph-Wert des Bluts auf über 7,45 an, was dann eine Verringerung des
Kohlenstoffdioxidpartialdrucks (pCO2) unter 35 mmHG mit
sich bringt. Dieses als Hypokapnie bekannte
Phänomen führt zu einer Verengung der Gefäße im Gehirn. Die Gefäßverengung hat
eine Minderdurchblutung zur Folge, die wiederum eine mangelnde Versorgung des
Gewebes mit Sauerstoff nach sich zieht und zum Beispiel Benommenheit, kognitive
Dysfunktionen, geistige Erschöpfung, Schmerzen, Panikattacken verursachen kann.
Allesamt Symptome, die den ME-Patienten nur allzu geläufig sind!
Eine Blutgasanalyse würde bei vielen der
schwerer an ME-Erkrankten eine solche respiratorische Alkalose offenbaren. Man wird
bei ihnen feststellen können, dass der ph-Wert erhöht und pCO2 erniedrigt
ist. ME-Kranke sind alkalotisch, zumindest die schwerer Betroffenen. Dabei
müssen die Patienten nicht einmal Anzeichen eines akuten schweren
Hyperventilationsanfalls erkennen lassen, obwohl auch der hin und wieder
vorkommen kann. Doch meistens haben die ME-Patienten mit den unspezifischeren,
nichtsdestotrotz unangenehmen und behindernden Symptomen einer chronischen
Hyperventilation zu kämpfen.
Wie kann man aber die Sauerstoffversorgung des Gewebes
verbessern?
Die amerikanische Ärztin und ME-Spezialistin Jamie
Deckoff-Jones schwört auf hohe Dosen gepulster normobarer und hyperbarer
Sauerstoffzufuhr. D.h. die Sauerstoffkonzentration wird verringert durch Zufuhr
von Kohlendioxid (normobare Hypoxie) im Wechsel mit der Zufuhr von hyperbarem Sauerstoff (hyperbare Oxygenierung, HBO). Über eine Atemmaske
wird dabei abwechselnd sauerstoffarme Luft, die sogenannte dünne Höhenluft, und
sauerstoffreiche Luft eingeatmet. Die sauerstoffarme Luft regt den Körper an,
vermehrt rote Blutkörperchen zu bilden. Dadurch verbessern sich die
Sauerstoffaufnahme, der Sauerstofftransport zum Gewebe und die
Sauerstoffverwertung in den Zellen.
Die intermittierende Hypoxie, wie dieses Verfahren auch genannt wird, trägt
zur Regeneration und Aktivierung der „Kraftwerke“ der Zellen, der
Mitochondrien, bei. Leistungsfähige Mitochondrien sind die entscheidende
Voraussetzung für einen gesunden Stoffwechsel, da alle wichtigen
Stoffwechselprozesse wie Fett-, Energie-, Eiweiß- und Kohlenhydratstoffwechsel
über die Mitochondrien abgewickelt werden.
Neben der Verbesserung der mitochondrialen Funktion kann sich diese
Therapie auch positiv auf das Immunsystem und Entzündungsprozesse auswirken.
Auch Dr. Paul Cheney, Zeuge der ME-Epidemie am Lake Tahoe, verschrieb
Sauerstofftherapie, nachdem er einen Referenten auf einer internationalen
Konferenz in London seinen Vortrag mit der Feststellung einleiten hörte,
„CFS“-Patienten seien alkalotisch. Dieselbe
Beobachtung hatte Cheney schon seit Jahren in seiner Praxis gemacht, ihr jedoch
weiter keine Bedeutung zugemessen.
Aber obwohl viele seiner Patienten diese Therapie
als hilfreich empfanden, wurde sie ihnen auf die Dauer zu teuer und zu
umständlich und bei manchen Patienten blieb der positive Effekt nach ein paar
Monaten Behandlung aus. Nicht lange nach Einführung dieser Therapie entdeckte
Cheney auch schon ihren Schwachpunkt: Die
Alkalose lässt den 2,3-Bisphosphoglycerat-Spiegel (2,3-BPG) absinken, ein Problem, das
sich auch durch seine Sauerstofftherapie nicht beheben ließ, ja, zuweilen sogar
durch sie noch verschärft wurde, nämlich dann, wenn die Patienten versehentlich
zuviel Sauerstoff inhaliert hatten. 2,3-BPG sorgt dafür, dass der ans Hämoglobin
gebundene Sauerstoff freigegeben wird und ins Gewebe eindringen kann. Zu
wenig 2,3-BPG
verhindert die Abgabe von Sauerstoff an die Zellen. Diese
Sauerstoffunterversorgung lässt den Körper auf einen anäroben Stoffwechsel umschalten,
mit der Folge einer schmerzhaften Übersäuerung des Gewebes, was wiederum die
Alkalose verstärkt, die dann den 2,3-BPG-Spiegel noch weiter absinken lässt.
Ein Circulus vitiosus!
Doch wie
kann man nun den 2,3-BPG-Level anheben, um den Sauerstofftransport vom Blut ins
Gewebe zu gewährleisten?
Schauen
wir uns an, wie Sportler ihre körperliche Leistungsfähigkeit steigern. Sportler
machen sich die Anpassungsleistung des Körpers an den Sauerstoffmangel der
Höhenluft zunutze. Denn beim Höhentraining gleicht der Körper den niedrigen Sauerstoffgehalt
der dünnen Luft durch Anhebung des 2,3-BPG-Spiegels aus, so dass mehr
Sauerstoff im Körper freigesetzt wird. Wenn diese Sportler dann ihre
Wettbewerbe in den Niederungen antreten, sind ihre Körper immer noch auf die
Höhenluftverhältnisse eingestellt, weshalb ihr Gewebe im Vergleich zu dem
anderer Sportler, die kein Höhentraining absolviert haben, mit Sauerstoff
geflutet ist.
Inspiriert
vom Höhentraining der kenianischen Marathonläufer besann sich Dr. Cheney auf eine
3000 Jahre alte Methode, die Sauerstoffversorgung zu optimieren. Es handelt
sich um eine einfache Atemübung aus der Yogatechnik, die dem Körper ein
Höhenklima vorgaukelt, was eine Anhebung unseres 2,3-BPG-Levels und damit einen
verbesserten Sauerstofftransport ins Gewebe bewirkt.
1. Atmen Sie vier Sekunden
durch die Nase ein
2. Halten Sie Ihren Atem
sieben Sekunden an
3. Atmen Sie acht Sekunden
durch Ihre fest geschürzten Lippen, die so einen Gegendruck erzeugen, aus
4. Praktizieren Sie das viermal
hintereinander, zweimal täglich, jeden Tag
Halt, stopp!
Bevor Sie mit dem Training beginnen, gebe ich Ihnen ein paar Tipps mit auf
den Weg. So simpel diese Atemübung auf den ersten Blick wirkt, kann man doch
einiges dabei falsch machen, was dazu führen wird, dass Sie diese Übung als
ungeeignet verwerfen werden. Als jemand, der 20 Jahre als Schauspielerin und
fast 15 Jahre lang als Sprechtechniktrainerin und Auftrittscoach gearbeitet hat
und über dementsprechend viel Erfahrung mit den Problemen, die bei der
Vermittlung von Atemtechniken entstehen können, verfügt, bin ich nicht
verwundert, dass diese Atemübung in Patientenkreisen weitgehend unbekannt ist,
denn hier wird – ohne weitere Erklärung – zuviel an Basiswissen über
Atemtechnik vorausgesetzt.
Viele Menschen, egal ob gesund oder krank, sind sich nicht darüber bewusst,
ob sie mithilfe von Brust- oder Bauchatmung atmen. Da wir in aller Regel die
Atmung nicht bewusst steuern, lassen wir sie einfach geschehen, den Körper also
das machen, was er gewohnt ist zu tun. Für diese Übung benötigen wir jedoch die
Bauchatmung, denn wenn wir hier die Brustatmung einsetzen würden, könnten wir leicht
ins Hyperventilieren geraten. Doch die Anforderungen eines stressigen Alltags
haben viele die Bauchatmung verlernen lassen, so dass die Notwendigkeit
besteht, sie wieder in Erinnerung zu rufen.
Untersuchen wir
zunächst, was mit unserem Atem passiert, wenn wir uns zur Ruhe legen. Legen Sie
sich dazu auf den Rücken, Beine ausgestreckt, Arme parallel neben den Körper
und schließen Sie Augen. Lassen Sie nun den Atem ganz passiv in die Nase
ein- und ausströmen. Lassen Sie die Atmung einfach geschehen. Vergessen Sie
bitte die Worte „atmen“, „Atemholen“, „Luftholen“ und „einatmen“. Lassen Sie
einfach nur ganz unspektakulär die Luft durch die Nase ein- und ausströmen. Beobachten
Sie dabei dennoch aufmerksam, was beim Einströmenlassen der Luft und was beim
Ausströmenlassen mit Ihrem Körper passiert. In welchem Bereich bewegt sich
etwas in Ihrem Körper? Ändert sich der Bereich, wo sich etwas bewegt, wenn Sie
allmählich zur Ruhe gekommen sind? In welche Richtung bewegt sich was beim
Einströmenlassen und in welche beim Ausströmenlassen der Luft?
Viele
von Ihnen werden unmittelbar nach dem Hinlegen die Erfahrung machen, dass sich
zunächst hauptsächlich der Brustkorb beim Ein- u. Ausströmenlassen der Luft
hebt und senkt. Doch wenn Sie dann zur Ruhe gekommen sind, verlagert sich das Atemgeschehen in den
Bauch. Beim Einströmenlassen hebt sich dann die Bauchdecke und beim Ausströmenlassen
senkt sich die Bauchdecke. Eine banale Erkenntnis, doch für die in
Atemtechniken Ungeübten eine wertvolle Erkenntnis und es wird eine Zeitlang
brauchen, bis auch der Körper „begriffen“ und sich diesen Vorgang als
Automatismus „einverleibt“ hat.
Machen
Sie die Atemübung also erst dann, wenn Sie zur Ruhe gekommen sind. Beginnen Sie
immer aus der sogenannten Atemmittellage heraus. Das bedeutet nichts weiter, als
nie
extra nach Luft zu schnappen und immer den Atem durch die Nase kommen zu lassen.
Auch Dr. Sarah Myhill, die britische Expertin für mitochondriale Dysfunktionen,
empfiehlt, stets durch die Nase zu atmen, langsamer zu atmen und weniger tief
einzuatmen.
Diejenigen,
die Probleme haben, eine Lippenspannung herzustellen – und das sind
erfahrungsgemäß gar nicht so wenige –, können einfach „Hasenzähnchen“ machen,
so dass beim Ausblasen der Luft der Reibelaut „fffffff“ zu hören ist. So
entsteht automatisch ein Gegendruck. Oder Sie pressen die Zungenspitze hinter
Ihre oberen Schneidezähne, was den gleichen Effekt hat.
Allen
Ungeübten rate ich, die Übung abzukürzen, denn es könnte Sie überfordern,
sieben Sekunden lang die Luft anzuhalten und acht Sekunden lang auszuatmen. Sie
sollten die Übung auch nicht gleich achtmal hintereinander machen, sondern
allenfalls zweimal. Steigern Sie das Training ganz langsam und auch erst dann,
wenn es Sie nicht mehr so viel Kraft kostet. Als Faustregel gilt, wenn Sie sich
wohl mit der Übung fühlen, können Sie nach etwa einem Monat täglichen Trainings
bis zu maximal acht Atemzyklen hintereinander durchführen. Wenn Sie merken,
dass Ihnen die Übung gut tut, dürfen Sie dann auch mehrmals täglich eine
Trainingseinheit absolvieren.
1. Lassen Sie alle Luft aus
dem Mund mit einem „Whoosh“ heraus
2. Lassen Sie die Luft zwei
Sekunden durch die Nase einströmen (Bauch füllt sich mit Luft)
3. Halten Sie Ihren Atem drei
Sekunden an
4. Lassen Sie die Luft vier
Sekunden durch Ihre fest geschürzten Lippen, die so einen Gegendruck erzeugen, ausströmen
(Bauch wird immer flacher, bis er ganz einzogen ist)
5. Praktizieren Sie das höchstens
zweimal hintereinander, zweimal täglich, jeden Tag
Vergessen Sie nicht, Ihren Bauch wieder „loszulassen“, wenn Sie alle Luft
abgeatmet haben, so dass er automatisch wieder nach vorne schnellt. Während der
Bauch nach vorne schnellt, beginnt bereits die Einströmphase, also beginnen Sie
dabei schon mit dem Sekundenzählen. Wenn Sie alles richtig gemacht haben,
werden Sie kein Schwindelgefühl verspüren. Sollte Ihnen ein bisschen schwindlig
sein, so ist das auch kein Drama. In diesem Fall haben Sie nicht genügend Luft
abgeatmet. Umschließen Sie Mund und Nase mit beiden Händen und atmen Sie eine
Zeitlang in Ihre hohlen Hände hinein, bis das Schwindelgefühl nachgelassen hat.
Sie
können diese Übung immer und überall machen, nur bitte nicht in gekrümmter
Haltung, weil dann der Bauch eingeklemmt und damit die Bauchatmung behindert
wird. Sie können dabei also entweder liegen oder aufrecht sitzen oder aufrecht
stehen.
Trainieren
Sie bitte nie mit vollem Bauch! Lassen Sie nach einer kleinen Mahlzeit
mindestens 1-1 ½ Stunden, nach einer Hauptmahlzeit 2-3 Stunden verstreichen,
bevor Sie mit dem Atemtraining beginnen.
Aber was
tun, wenn Sie nicht zur Ruhe kommen können? Wenn das Herz rast oder Sie schon
kräftig am Hyperventilieren sind?
Gegen
Anfälle von Herzrasen empfiehlt die Kinderkardiologie der Charité, das Herz „zu
erschrecken“, und zwar beispielsweise mit der „Bauchpresse: Tief Einatmen, Luft
anhalten, Zwerchfell nach unten drücken wie beim Stuhlgang und Pressen“. [1]
Wenn Sie
unruhig sind und ständig das Bedürfnis verspüren, tief Luft zu holen,
andauernd gähnen, seufzen, hüsteln oder rülpsen müssen, oder auch wenn Sie
flach und schnell durch den Mund atmen, dann atmen Sie, wie beschrieben, in Ihre
hohlen Hände hinein, die sowohl Mund als auch Nase bedecken sollten. Auf diese
Weise reduzieren Sie die Sauerstoffaufnahme und atmen stattdessen Ihr
abgeatmetes Kohlendioxid wieder ein. Das können Sie so lange machen, bis sich
Ihr Atem beruhigt hat, denn – anders als beim Benutzen einer Plastiktüte – ist
diese Methode völlig harmlos.
Ob die
unwillkürliche Geste, sich entsetzt, erschrocken oder freudig überrascht die
Hände vors Gesicht zu schlagen, die auch als Redewendung Eingang in unsere
Sprache gefunden hat, eine Art Selbstberuhigungsreflex sein könnte, um die
aufgeregte Atmung zu stoppen? Eine rein spekulative Überlegung. Sie dürfen aber
auch ohne emotionalen Anlass diese Methode ruhig öfter mal anwenden, denn mit
diesem Trick beruhigen Sie ihre Atmung und erzeugen künstlich ein Höhenklima.
Doch auch
bei täglichem Training wird es etwa zwei bis drei Monate dauern, bis sich Ihre 2,3-BPG-Level
angepasst haben und Sie von einer besseren Sauerstoffversorgung profitieren werden.
Wenn Sie die Atemübung regelmäßig machen, wird sich der Sauerstofftransport
aber nach und nach verbessern ebenso wie der zelluläre Energielevel. Eine
bessere Sauerstoffversorgung hilft dem Körper darüber hinaus, Kandidosen und
andere Pathogene in Schach zu halten. Auch dem Anschwellen des Gehirns wegen
Sauerstoffmangels kann auf diese Weise vorgebeugt werden.
Dr.
Andrew Weil, Professor der Medizin an der Universität
von Arizona und ein Vertreter der Integrativen Medizin, hält diese Atemübung sogar für eine der
wirkungsvollsten Behandlungen chronischer Krankheiten. Dem Vergleich mit einer
professionellen intermittierenden Hypoxie-Behandlung via Atemmaske hält sie offenbar
stand, denn sie ist einfacher zu handhaben, sie kostet nichts und ist
effektiver, und man kann dabei nicht versehentlich eine Überdosis Sauerstoff
abbekommen.
Denn
hyperbarer Sauerstoff kann auch schlimme Folgen für manch einen ME-Patienten
haben. Eine Überdosierung kann beispielsweise den Patienten – laut Dr. Cheney –
auf dem Operationstisch ins Jenseits befördern. Nach Cheneys Auffassung sollte Sauerstoff
nicht in die Zellen transportiert werden, wenn diese keine effektive Verteidung
gegen eines seiner Abfallprodukte zur Verfügung haben. Als Abfallprodukte entstehen neben Kohlendioxid freie Sauerstoffradikale,
die, wenn sie überhand nehmen, oxidativen Stress auslösen und Zellstrukturen,
Eiweiße und Erbinformation schädigen. Wenn unser Körper nicht genügend
Radikalfänger – Antioxidantien – bilden kann, was bei der Krankheit überwiegend
der Fall ist, sind wir diesen freien Radikalen schutzlos ausgeliefert. So wird
deutlich, dass eine künstliche Zufuhr von hyperbarem Sauerstoff eventuell auch
Gefahren mit sich bringen könnte. Doch das alles kann bei der vorgestellten
Selfmade-Methode nicht passieren, denn sie stärkt die mitochondrialen
Funktionen, ohne sie versehentlich dabei zu beschädigen.
(Dr. Deckoff-Jones teilt übrigens Dr. Cheneys These, ME-Patienten
litten unter Sauerstofftoxizität, nicht. Sie vertritt die Auffassung, milde hyperbare Oxygenierung sei von großem Nutzen und sehr
risikoarm, wenn man bei der Handhabung von Profis angeleitet würde. Selbst wenn
mehr freie Radikale als üblich durch die Behandlung produziert würden, sei
diesem Problem mit der Verabreichung von Antioxidantien gut beizukommen. Hier
wäre z.B. u.a. die Verabreichung von N-Acetyl-L-Cystein und S-Acetylglutathion,
einer stabilen Form des Glutathions, das den Magen-Darm-Trakt unversehrt
passieren und vollständig vom Blut aufgenommen werden kann, denkbar.)
Um einem
etwaigen Missverständnis zuvorzukommen: Dieses Atemtraining ist kein
Wundermittel gegen ME und es wird Sie leider nicht kurieren. Aber es könnte
helfen, Ihren Lufthunger zu reduzieren, die Symptome der respiratorischen
Alkalose zu lindern, die Atmung zu erleichtern und vielleicht bei einigen
Patienten sogar dauerhaft zu verbessern, die Sauerstoffaufnahme in den Zellen zu
optimieren und den Symptomen der Hyperventilation präventiv zu begegnen. Es
kann Ihnen also möglicherweise auf Dauer einen guten Dienst erweisen, doch nur
einige wenige Glückliche werden durch regelmäßiges Training eventuell ihr
Energielevel wieder ein wenig anheben können, ihr Nervensystem beruhigen, ihre
Schlafqualität verbessern, Blutdruck und Herzschlagrate günstig beeinflussen
und ihre Verdauung unterstützen können.
Ein
letzter Tipp: Bevor Sie sich ins Atemtraining stürzen und meinen Empfehlungen
folgen, lesen Sie sich bitte noch einmal den Disclaimer durch und holen Sie den
Rat Ihres behandelnden Arztes ein!
[1]
Zitiert aus „Herzrasen“, Website der Klinik für Pädiatrie mit Schwerpunkt
Kardiologie, Charité
Literaturverzeichnis:
1 Dr. Cheney's Oxygen
Treatment
2 Paul
R. Cheney: Oxygen Toxicity as a Locus of Control for Chronic Fatigue Syndrome
http://forums.prohealth.com/forums/index.php?threads/cheney-oxygen-toxicity-may-determine-outcome-in-cfs.195806/
http://forums.prohealth.com/forums/index.php?threads/cheney-oxygen-toxicity-may-determine-outcome-in-cfs.195806/
3 Dr.
Jamie Deckoff-Jones: Oxygen Primer
4 Dr.
Jamie Deckoff-Jones: More Oxygen
5 Dr.
Jamie Deckoff-Jones: Recovery post-XMRV
6 Mikie: Dr.
Cheney's Breathing Technique
7 Dr. Sarah Myhill: Hyperventilation – makes you feel as if you can`t get your breath
8 Carol Sieverling: DR. CHENEY: Increase Your Oxygen Intake
9 Dr. Andrew Weil: Breathing Exercises: 4-7-8 Breath
10 Margaret Williams: Klimas, Wessely and NICE: Redefining CBT? 10th November
2006
http://www.meactionuk.org.uk/Klimas_Wessely_and_NICE_-_Redefining_CBT.htm
Bildnachweise:
Johann Heinrich Füssli, Nachtmahr, www.commons.wikimedia.org
Jacek Malczewski, Der Teufelskreis, www.commons.wikimedia.org
Sandro Botticelli, Die Geburt der Venus, Detail, www.commons.wikimedia.org
Eugène Delacroix, Vor dem Blitz scheuendes Pferd, www.commons.wikimedia.org
Katharina Voss, Copyright 2015
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