Freitag, 16. September 2016

Offener Brief an die DEGAM


(Hier kann der Brief heruntergeladen werden. Hier können Sie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für Ihre Behandler herunterladen und hier meine Studienliste.)

(Das Kürzel DEGAM bezeichnet die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin. Von der DEGAM herausgegebene Leitlinien instruieren Hausärzte und Allgemeinmediziner bezüglich Diagnostik und Therapie diverser Krankheitsbilder mit dem Ziel der Verbesserung der Versorgungsqualität und der Erhöhung der Nutzen-Aufwands-Relation hausärztlicher Versorgung. 2011 hat die DEGAM ihre ärztliche Leitlinie Nr. 2 mit dem Titel Müdigkeit herausgebracht, in der auch das Krankheitsbild des „Chronischen Müdigkeitssyndroms“ („CFS“) abgehandelt wird.)




Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Baum!

Mit großer Sorge blicken die „ME/CFS“-Kranken in Deutschland auf die Weiterentwicklung der DEGAM-Leitlinie Müdigkeit, die sich – wie zu hören ist – derzeit in Überarbeitung befindet. Bereits die Aufnahme dieser Krankheit in die 2011 herausgegebene Leitlinie ist bei den Patienten auf Unverständnis gestoßen, da Müdigkeit weder das Kernsymtom einer „ME/CFS“-Erkrankung ist noch überhaupt eine große Rolle in der Gesamtsymptomatik spielt. „ME/CFS“-Kranke sind nicht müder als andere chronisch kranke Menschen auch. Ihr Kernsymptom ist die pathologische Erschöpfbarkeit der Muskulatur mit der Folge einer neuroimmunen Zustandsverschlechterung nach Belastung, genannt PENE (post-exertional neuroimmune exhaustion). [Ramsay, o.J.; Carruthers et al., 2011]

Obwohl die WHO „ME/CFS“ unter den neurologischen Krankheiten eingeordnet und ihr eine eigenständige Krankheitsentität zugebilligt hat (bestätigt im ICD-10-GM), wurden die biomedizinischen Anomalien der Krankheit in der Leitlinie Müdigkeit nicht zur Kenntnis genommen, eine organische Ursache in Frage gestellt und „ME/CFS“ entgegen der rechtsverbindlichen Klassifikation der WHO und des 5. Sozialgesetzbuches psychopathologisiert. Es wurde sogar die Behauptung aufgestellt, beim „CFS“ handele es sich „um ein Konzept bzw. eine Vereinbarung, um die Kommunikation mit dem Patienten, prognostische Einschätzung und Behandlung zu strukturieren“ und es sei nicht von einem „gesunden ‚Normalzustand‘“ abzugrenzen. Diese Behauptung ist angesichts eines Bestands von mehr als 6000 biomedizinischen Forschungsarbeiten zu „ME/CFS“ wissenschaftlich unhaltbar.

Sie und Ihre Co-Autoren hatten sich bei Abfassung der Leitlinie Müdigkeit ausschließlich die ätiologische Prozessbeschreibung von Psychiatern der britischen Wessely School zueigen gemacht. Demnach machen die Patienten zwar einen initialen Infekt durch, können diesen aufgrund sogenannter falscher Krankheitsüberzeugungen jedoch nicht überwinden. Weil die Patienten glauben, physische Aktivitäten könnten ihnen schaden und die Krankheit verschlimmern, stellen sie ihre Aktivitäten ein und entwickeln – wie in Ihrer Leitlinie zu lesen ist – „physiologische[n] Sekundärveränderungen durch fehlende Aktivität (Dekonditionierung)“. Das führe zu einem „Teufelskreis“, denn Bewegung verursache aufgrund der Dekonditionierung nun „definitiv […] Beschwerden“.

Ebenso wie die Mitglieder der Wessely School und andere Verfechter des biopsychosozialen Krankheitsmodells glauben Sie und Ihre Mitautoren, dieser krankheitsaufrechterhaltende „Teufelskreis“ – nämlich die falschen Krankheitsüberzeugungen und das den Patienten unterstellte Furcht-Vermeidungsverhalten – könne nur mit Hilfe von verhaltenstherapeutischen, von Psychiatern und Psychosomatikern empfohlenen Behandlungsmethoden wie Aktivierung (Graded Exercise Therapy) und Kognitiver Verhaltenstherapie durchbrochen werden.



Dementsprechend stützten Sie sich auf die Resultate der 2011 im Lancet veröffentlichten britischen PACE Trial, deren Autoren bei 61% ihrer mit GET behandelten Studienteilnehmer Verbesserungen festgestellt haben wollten und bei 59% der mit CBT Behandelten. [White et al., 2011] Diese Prozentzahlen mussten nun von den Autoren deutlich nach unten korrigiert werden, da sie im September 2016 nach einer Gerichtsentscheidung bestimmte Rohdaten, die bereits im März 2014 unter dem Freedom of Information Act angefordert wurden, offenlegen mussten. Die Daten werden nun von Wissenschaftlern in aller Welt neu analysiert.

Bereits die neue Analyse der PACE-Autoren vermittelt ein ganz anderes Bild als das im Lancet publizierte: Die von ihnen am Tag vor Offenlegung ihrer Daten veröffentlichten Studienresultate, die sich nach den im Original-Studienprotokoll festgelegten Verfahren ergeben, zeigen, dass nur 21% der mit GET therapierten Patienten sich insgesamt verbesserten und nur 20% der mit CBT Behandelten. Doch auch 10% der Patienten, die keine dieser Therapien erhielten, sondern ausschließlich fachärztlich versorgt wurden, berichteten von Verbesserungen. [White et al., 2016]

Rechnet man diese 10% Verbesserungsrate von der der GET- und CBT-Behandelten noch ab (denn auch ohne GET und CBT hätten die Teilnehmer dieser Studienarme ja eine Verbesserung von 10% erreicht), kommt man auf eine mit diesen Behandlungen verbundene Verbesserungsrate von 11% bei den Patienten des GET-Arms und auf 10% des CBT-Arms. Diese Zahlen liegen sogar noch unter dem für verschiedene Behandlungen des „Chronic Fatigue Syndroms“ von Simon Wessely ermittelten Placebo-Effekts von durchschnittlich 19,6%. [Cho et al., 2005]

Ferner ist zu bedenken, dass sich diese ohnehin schon mageren Verbesserungsraten nur aufgrund von Selbstauskünften der Patienten ergaben (Körperliche Funktionsfähigkeit: SF-36-Fragebogen; Fatigue: Chalder-Fatigue-Skala) und deshalb rein subjektiver Natur sind. Daten, die eine Genesung oder Wiederherstellung objektivieren würden, wurden von den Autoren gar nicht erst reanalysiert. Weil es womöglich keine genesenen, wieder arbeitsfähigen Ex-Studienteilnehmer gibt?

Zudem muss noch berücksichtigt werden, dass die Studienteilnehmer der PACE Trial nach den viel zu weitgefassten Oxford-Kriterien ausgesucht wurden, die für „ME/CFS“-Patienten nicht zutreffen. (Diese Kriterien wurden bereits 1997 von einem der PACE-Studienleiter, Michael Sharpe, als vom internationalen Konsens abgelöst angesehen.) [Mountstephen und Sharpe, 1997] Hätten tatsächlich ausschließlich „ME/CFS“-Patienten an der PACE Trial teilgenommen, wäre das Ergebnis wohl noch erheblich schlechter ausgefallen und die Studie hätte womöglich aus ethischen Gründen abgebrochen werden müssen. Denn das Gros der mit GET- und CBT behandelten „ME/CFS“-Kranken hätte vermutlich massive gesundheitliche Verschlechterungen davongetragen, die in zahlreichen Studien vor allem für GET immer wieder nachgewiesen wurden. [Kindlon, 2011; Bringsli et al., 2014] (Siehe auch diese beiden im Internet verfügbaren Studienlisten: hier und hier.)  




Die wissenschaftliche Unhaltbarkeit der Oxford-Kriterien war auch für die Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ) der Anlass, ihren Evidenzreport Diagnosis and Treatment of Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome zu überarbeiten. Die dem Ministerium für Gesundheitspflege und Soziale Dienste der Vereinigten Staaten unterstellte Behörde gab im Juli 2016 einen Nachtrag zu ihrem Report heraus, in dem sie die Anwendung von Oxford-Kriterien kritisierte, weil diese ein hohes Risiko bergen, Patienten mit einer anderen Krankheit, die mit Fatigue einhergeht, oder auch Patienten mit Spontanremission einzuschließen.

Die erneute Sichtung und Datenanalyse der Studien zu Graded Exercise Therapy (GET) und Cognitive Behaviour Therapy (CBT) konnte, so die Autoren des amerikanischen Reports, keine Beweise für eine Wirksamkeit dieser Behandlungen feststellen, insbesondere nach Ausschluss der Studien, die Patienten nach den unspezifischen, international wissenschaftlich in Verruf geratenen Oxford-Kriterien rekrutierten. Deshalb hat die AHRQ ihre Behandlungsempfehlungen korrigiert.

Die nach unten korrigierten Ergebnisse der PACE Trial und die Resultate des amerikanischen Evidenzreports machen deutlich, dass Behandlungsempfehlungen wie Aktivierung (GET) und Kognitive Verhaltenstherapie (CBT) nicht aufrechterhalten werden können. Sie entbehren nicht nur eines soliden wissenschaftlichen Fundaments, sondern würden darüber hinaus gegen die Prinzipien der evidenzbasierten Medizin sowie gegen medizinethische Grundsätze verstoßen.

Die deutschen „ME/CFS“-Patienten – und mit ihnen ihre weltweiten Mitstreiter – hoffen nun, dass sich die DEGAM-Autoren unter Ihrer Leitung zur kompletten Neufassung einer ärztlichen Leitlinie zu „ME/CFS“ entschließen werden. In einer Petition mit dem Titel „Wir wollen unser Leben zurück!“, die u.a. auch die DEGAM adressiert und nächstes Jahr zum ME Awareness Day übergeben wird, fordern bereits mehr als 2600 Unterzeichner die ersatzlose Streichung des Kapitels „Chronisches Müdigkeitssyndrom (CFS)“ und sämtlicher Bezugnahmen in den übrigen Kapiteln auf „CFS“ und ME inklusive Streichung der Patientenbriefe aus der DEGAM-Leitlinie Müdigkeit sowie die Neufassung einer ärztlichen Leitlinie zur Myalgischen Enzephalomyelitis auf der Grundlage der International Consensus Criteria von 2011 und des International Consensus Primer von 2012. [Carruthers et al., 2011; Carruthers et al., 2012] Außerdem die Ausarbeitung von Patientenbriefen auf der Grundlage der International Consensus Criteria sowie des International Consensus Primer.

2600 Unterschriften mögen Ihnen wenig vorkommen. Doch wenn man bedenkt, dass nur ein Bruchteil der Patienten diagnostiziert ist, der überwiegende Teil jedoch psychiatrisch fehldiagnostiziert wurde und von der Krankheit noch nie gehört hat, sind es gar nicht mal so wenige Unterzeichner. Zudem stellt der Petitionstext gewisse Ansprüche an den Leser – im Unterschied zu vielen anderen Petitionen –, was durchaus beabsichtigt ist, um sowohl die Qualität der Unterschriften zu beglaubigen als auch spezifizierte Forderungen zum Ausdruck bringen zu können.



Es liegt nun in Ihrer Hand, ob die deutschen Allgemeinmediziner sich auch in Zukunft im Lichte wissenschaftlicher Rückständigkeit präsentieren oder ob sie mit den internationalen Forschungsstandards Schritt halten sollen. Nebenbei bemerkt, haben sich aufgrund der neuen Sachlage die Chancen für die Patienten erheblich verbessert, bei nachgewiesener Schädigung durch Aktivierung ihre verordnenden Ärzte haftbar zu machen.

Doch das ist auch jetzt schon möglich, denn Ihre Behandlungsempfehlungen entsprechen nicht einmal den Qualitätsstandards der PACE Trial. Vor eigenständigen Selbsthilfeansätzen, wie sie die Empfehlungen der DEGAM- Patientenbriefe („Schwimmen, Radfahren, Tanzen, Ballspiele“ etc.) darstellen, wird von den PACE-Autoren ausdrücklich gewarnt. Sie weisen auf die unbedingte Notwendigkeit hin, diese Behandlungen – wie in den Studienbedingungen – von in gleicher Weise qualifizierten und geschulten Ärzten und medizinischem Fachpersonal durchführen und überwachen zu lassen, um die Sicherheit der Patienten nicht zu gefährden. [White et al., 2011; Wolfson Institute, 2011]

Auch die in Ihrer Leitlinie vielzitierte britische NICE-Guideline 53 warnt davor, dem Patienten unstrukturierte Ratschläge wie „Gehen Sie ins Fitnessstudio“ oder „Trainieren Sie mehr“ zu geben, weil derartige, nicht überwachte Aktivitäten die Symptome der Krankheit verschlechtern können. [NICE, 2007] Und dennoch sollen, wie die von Ihnen verfasste Leitlinie vorschlägt, die deutschen Allgemeinmediziner ihren Patienten genau solche undifferenzierten Ratschläge erteilen!

Abseitige, einen eklatanten Mangel an Fachkenntnis offenbarende Empfehlungen gehören nun hoffentlich bald der Vergangenheit an. Ebenso wie Beiträge und Kommentare von der Art des Nicht-Mediziners und Soziologen Martin Beyer, der Leitlinienpate war. Hier sei als Beispiel dieser auf sein Konto gehende, in die Leitlinie eingeflossene Satz genannt: „Die insbesondere nach dem kanadischen Dokument – ohne sinnvolle Konsequenz – vorgeschlagenen Zusatzuntersuchungen haben zusammengenommen ein an Körperverletzung grenzendes iatrogenes Pathogenisierungspotential.“ Ein „an Körperverletzung grenzendes iatrogenes Pathogenisierungspotential“ haben in der Tat die unstrukturierten Behandlungsempfehlungen der DEGAM, nicht aber die Vorschläge der von Herrn Beyer diskreditierten internationalen ME-Experten, die das Kanadische Konsensdokument verfasst und eine Auswahl sinnvoller und notwendiger Untersuchungen zusammengestellt haben, die sachunkundigen Ärzten Hilfestellung bei der differentialdiagnostischen Abgrenzung bieten.

Auch Kommentare wie z.B. diesen, den Herr Beyer (bezugnehmend auf die Einwände von Vertretern von Patientenorganisationen, die mit Hinweis auf die belgische Studie von Maes/Twisk [Maes und Twisk, 2009] auf die Schädlichkeit der verhaltenstherapeutischen/psychiatrischen Aktivierungstherapie aufmerksam machten, und die er sarkastisch als „Freunde“ titulierte) als Randnotiz verfasste, möge man uns bitte in Zukunft ersparen: „Twisk et al. ist ja offenbar die Kernmunition unserer Freunde – hier muß noch etwas sauberer argumentiert werden. Ich kenne die Arbeit nicht, aber angeblich wird im Kern ja nur gemault, dass irgendwelche belgischen Müden, die auf Gutschein zur Exercise geschickt worden waren, das gar nicht lustig fanden. Gibt es tatsächlich Belege dafür, dass eine Überlastung schon einmal jemandem ernsthaft geschadet hat, ihn in den Rollstuhl und sogar ins Grab gebracht hat?“ [Zitiert aus Clos et al., 2012]

Solche launig-flapsigen Anmerkungen, die nicht nur Herrn Beyers dürftigen Wissensstand dokumentieren, sondern auch Zweifel an seiner ethischen Grundeinstellung aufkommen lassen, können die großenteils schwerkranken Menschen nur als blanken Hohn empfinden. Man fragt sich bei einem zynischen Kommentar wie diesem, ob Herr Beyer charakterlich geeignet ist, um die Belange von Kranken zu beurteilen. Über die notwendige fachliche Kompetenz verfügt er ganz offensichtlich nicht.



Hoffen wir jetzt mal, dass die Überarbeitung der Leitlinie bzw. eine Neufassung dieses Mal kompetenter begleitet wird! Ich nehme an, dass Ihnen und Ihren Mitautoren die neuesten biomedizinischen Forschungsergebnisse bekannt sein werden, da ja auch die deutsche Presse ausgiebig über einige Studien berichtete? Falls nicht, zähle ich hier gerne noch mal einige von ihnen auf:

  • beispielsweise die Studien, die eine Zustandsverschlechterung nach Belastung objektivieren [Snell et al., 2013; Keller et al., 2014; Vermeulen und Vermeulen van Eck, 2014; Lengert und Drossel, 2015] 
  • die Studien zur Immundysfunktion, wie z.B. die 2014 publizierte Studie australischer Autoimmunforscher, die bei bettlägerigen und moderat erkrankten „ME/CFS“-Patienten signifikante Veränderungen aller untersuchten Zelltypen des angeborenen wie des erworbenen Immunsystems fanden, mit der Tendenz größerer Abweichungen bei den schwer Erkrankten [Marshall-Gradisnik et al., 2014] 
  • die Studie von Hornig et al., die eindeutige Nachweise für die immunologische Fehlfunktion und für eine krankheitsspezifische Immunsignatur bei den „ME/CFS“-Patienten erbrachte [Hornig et al., 2015] 
  • die neuen Gehirnstudien, wie etwa die im Juni 2014 veröffentliche Studie von Watanabe et al., die Belege für Neuroinflammation in ausgedehnten Hirnarealen „ME/CFS“-Kranker lieferte, die jeweils mit der Schwere der neurologischen Symptome verknüpft war [Watanabe et al., 2014] 
  • die im Februar 2015 veröffentlichte Studie der Stanford University, die großes mediales Interesse erregte, weil sie gleich drei Gehirnanomalien bei „ME/CFS“-Patienten identifizierte [Zeineh et al., 2015]
  • die erfolgreichen norwegischen Behandlungsstudien mit dem Krebsmedikament Rituximab [Fluge et al., 2011 und 2015]
  • Carmen Scheibenbogens Studie aus dem Jahr 2015, die bei knapp 30% der untersuchten „CFS“-Patienten erhöhte Antikörper gegen einen oder mehrere muskarinische Acetylcholinrezeptoren und einen β-adrenergen Rezeptor nachwies, die als potentielle Biomarker für die Reaktion auf eine B-Zell-dezimierende Therapie in Frage kommen [Loebel et al., 2015]
  • Maureen Hansons Mikrobiom-Studie, die eine verarmte Darmflora bei „ME/CFS“-Patienten nachwies und Hinweise auf eine anhaltende Schädigung der Darmschleimhaut gab, da spezielle erhöhte Entzündungswerte im Blut der Patienten mikrobielle Translokation belegten [Giloteaux et al., 2016]
  • die neue Studie von Robert Naviaux, der im Blut der Patienten Anomalien bei mehr als 60 Metaboliten in 20 Stoffwechselwegen fand, die „CFS“-Kranke von den Kontrollen unterschieden, und deren Resultate zeigen, dass die metabolischen Besonderheiten einer „CFS“-Erkrankung einem hypometabolischen Zustand entsprechen [Naviaux et al., 2016]

Alle genannten Studien werden übrigens in der internationalen Fachpresse als weitere Belege dafür gewertet, dass die Krankheit organpathologische Ursachen hat und nicht psychogen ist. Zusammen mit den übrigen 6000 Studien also genügend Material für Sie und Ihre Mitautoren, um einen dringend notwendigen Kurswechsel bei der DEGAM einzuläuten und endlich die Organpathologie dieser schweren Krankheit anzuerkennen und die oftmals grausame Realität der Betroffenen zur Kenntnis zu nehmen!



Zum Abschluss erlaube ich mir, aus dem im Jahr 2015 veröffentlichten Report des amerikanischen INSTITUTE OF MEDICINE zu zitieren:

The primary message of this report is that ME/CFS is a serious, chronic,
complex, and systemic disease that frequently and dramatically limits the
activities of affected patients. In its most severe form, this disease can consume
the lives of those whom it afflicts. It is “real.” It is not appropriate to
dismiss these patients by saying, “I am chronically fatigued, too.”

Beyond Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome: Redefining an Illness. S. 5

Conclusion: It is clear from the evidence compiled by the committee that ME/CFS is a serious, chronic, complex, and multisystem disease that frequently and dramatically limits the activities of affected patients. 

Beyond Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome: Redefining an Illness. S. 209


Ich wünsche mir, dass die „ME/CFS“-Patienten auch in Deutschland endlich ernst genommen werden. Eine komplette Neufassung einer ärztlichen Leitlinie zu dieser Krankheit, wie oben vorgeschlagen, wäre nur ein erster Schritt in diese Richtung!

Hoffnungsvoll verbleibe ich mit freundlichen Grüßen,

Katharina Voss

(Mutter zweier sehr schwer betroffener Töchter)

P.S.: Dieser Brief erscheint auf meinem Blog http://meversuscfs.blogspot.de/.



(Nachtrag für die Erkrankten: Hier können Sie den Brief herunterladen. Hier können Sie eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für Ihre Behandler herunterladen und hier meine Studienliste, die Sie dem verordnenden Behandler zusammen mit der Unbedenklichkeitsbescheinigung überreichen. Zusätzlich können Sie auch diese, seit 2012 nicht mehr aktualisierte Studienliste von Frau Clos auf cfs.aktuell.de ausdrucken und Ihrem Behandler übergeben.)

Literatur- und Quellenangaben alphabetisch:



Bringsli GJ, Gilje A and Getz Wold BK „THE NORWEGIAN ME ASSOCIATION NATIONAL SURVEY Abridged ENGLISH VERSION“, 2014 http://me-foreningen.com/meforeningen/innhold/div/2014/05/ME-Nat-Norwegian-Survey-Abr-Eng-Ver.pdf (Abruf 16.11.14).

Carruthers BM, van de Sande MI [...], and Stevens S „Myalgic Encephalomyelitis: International Consensus Criteria“, Journal of INTERNAL MEDICINE 2011.

Carruthers BM, van de Sande MI et al “MYALGIC ENCEPHALOMYELITIS – Adult & Paediatric: International Consensus Primer for Medical Practitioners”, 2012 http://www.me-ireland.com/ICC%20primer.pdf (Abruf 20.04.16).

CHO HJ, HOTOPF M, AND WESSELY S „The Placebo Response in the Treatment of Chronic Fatigue Syndrome: A Systematic Review and Meta-Analysis“, Psychosomatic Medicine 2005.

Clos R et al. „Die „neuen“ Leitlinien Müdigkeit über „CFS“ – ein Zerrbild medizinischer Wissenschaft und Verantwortung? Kommentare und Analysen von Regina Clos und anderen“, Februar 2012, auf http://www.cfs-aktuell.de/februar12_1.htm (Abruf 16.11.14).

DEGAM-Leitlinie Nr. 2 "Müdigkeit", 2011 http://www.degam.de/files/Inhalte/Leitlinien-Inhalte/Dokumente/DEGAM-S3-Leitlinien/LL-02_Muedigkeit_Langfassung_2011_2.pdf

Fluge Ø et al. „Benefit from B-lymphocyte depletion using the anti-CD20 antibody rituximab in chronic fatigue syndrome. A double-blind and placebo-controlled study.“ PLOS ONE 2011.

Fluge Ø et al. „B-Lymphocyte Depletion in Myalgic Encephalopathy/ Chronic Fatigue Syndrome. An Open-Label Phase II Study with Rituximab Maintenance Treatment.“ PLoS ONE 2015.


Giloteaux L et al. "Reduced diversity and altered composition of the gut microbiome in individuals with myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome", Microbiome 2016.

Goldsmith KA, White P D, Chalder T, Johnson A L, Sharpe M "THE PACE TRIAL: ANALYSIS OF PRIMARY OUTCOMES USING COMPOSITE MEASURES OF IMPROVEMENT", 2016 http://www.wolfson.qmul.ac.uk/images/pdfs/pace/PACE_published_protocol_based_analysis_final_8th_Sept_2016.pdf.

Hornig M et al. „Distinct plasma immune signatures in ME/CFS are present early in the course of illness“, Science Advances 2015.

IOM „Beyond Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome: Redefining an Illness.“ NAP 2015.

Keller BA, Pryor JL, and Giloteaux L „Inability of myalgic encephalomyelitis / chronic fatigue syndrome patients to reproduce VO2peak indicates functional impairment“, Journal of Translational Medicine 2014.

Kindlon T ”Reporting of Harms Associated with Graded Exercise Therapy and Cognitive Behavioural Therapy in Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome”, Bulletin of the IACFS/ME 2011.

Lengert N und Drossel B „In silico analysis of exercise intolerance in myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome“, Biophysical Chemestry 2015.

Loebel M et al. "Antibodies to β adrenergic and muscarinic cholinergic receptors in patients with Chronic Fatigue Syndrome." Brain Behav Immun. 2016.

Maes M, Twisk FNM „Why myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome (ME/CFS) may kill you: disorders in the inflammatory and oxidative and nitrosative stress (IO&NS) pathways may explain cardiovascular disorders in ME/CFS“, Neuro Endocrinol Lett. 2009.

Marshall-Gradisnik S et al. „Analysis of the Relationship between Immune Dysfunction and Symptom Severity in Patients with Chronic Fatigue Syndrome/Myalgic Encephalomyelitis (CFS/ME)“, J Clin Cell Immunol 2014.

Mounstephen A and Sharpe M „Chronic fatigue syndrome and occupational health“, Occup. Med. 1997.

Naviaux RK et al. "Metabolic features of chronic fatigue syndrome", PNAS 2016.

NICE clinical guideline 53, National Institute for Health and Clinical Excellence “Chronic fatigue syndrome/myalgic encephalomyelitis (or encephalopathy) - Chronic fatigue syndrome/myalgic encephalomyelitis (or encephalopathy): diagnosis and management of CFS/ME in adults and children”, S. 23, 2007 http://www.nice.org.uk/guidance/CG53 (Abruf 16.11.14).

Ramsay MA “THE CLINICAL IDENTITY OF THE MYALGIC ENCEPHALOMYELITIS SYNDROME”, o.J., http://web.archive.org/web/20120508164335/http://web.onetel.com/~kickback/THE%20CLINICAL%20IDENTITY%20OF%20ME.html (Abruf 20.04.16).

Snell CR, Stevens SR, Davenport TE and Van Ness JM „Discriminative Validity of Metabolic and Workload Measurements to Identify Individuals With Chronic Fatigue Syndrome“, Physical Therapy 2013.

Vermeulen RCW and Vermeulen van Eck IWG „Decreased oxygen extraction during cardiopulmonary exercise test in patients with chronic fatigue syndrome“, Journal of Translationa Medicine 2014.

Watanabe Y et al. „Neuroinflammation in Patients with Chronic Fatigue Syndrome/Myalgic Encephalomyelitis: An 11C-(R)-PK11195 PET Study.“ J Nucl Med. 2014.

White P et al. “Comparison of adaptive pacing therapy, cognitive behaviour therapy, graded exercise therapy, and specialist medical care for chronic fatigue syndrome (PACE): a randomised trial”, The Lancet 2011.

Wolfson Institute of Preventive Medicine, Centre for Psychiatry “PACE trial”, 2011 http://www.wolfson.qmul.ac.uk/current-projects/pace-trial#news

Zeineh M et al. „Right Arcuate Fasciculus Abnormality in Chronic Fatigue Syndrome“, Radiology, 2015.

Bildnachweise:

Émile Zola, J`accuse (Autograph), www.commons.wikimedia.org
Gerard ter Borch, Die Briefschreiberin, www.commons.wikimedia.org
Gerard ter Borch, Dame, die einen Brief liestwww.commons.wikimedia.org
Gerard ter Borch, Frau, die einen Brief vorliestwww.commons.wikimedia.org
Giuseppe Arcimboldo, Der Kochwww.commons.wikimedia.org
Erste Briefmarke, (One) Penny Blackwww.commons.wikimedia.org
Jacques Louis David, Der Tod des Marat
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