Dienstag, 20. Oktober 2015

Something is rotten in the state of Denmark …


In meinem letzten Blogeintrag habe ich erläutert, was Namensvetter Per Fink, dänischer Psychiater und Klinikdirektor der Research Clinic for Functional Disorders and Psychosomatics in Aarhus, mit dem der Lüge bezichtigten Titelhelden aus Henrik Ibsens dramatischer Dichtung Peer Gynt gemeinsam hat, nämlich seinen problematischen Umgang mit der Wirklichkeit und der Wahrheit.

Bedauerlicherweise beschränkt sich der nicht nur auf Finks theoretische Abhandlungen, sondern nimmt im Umgang mit ME-Patienten ganz konkrete Formen an. Der Klinikdirektor ist gemeinsam mit seinem Chefarzt Niels Balle Christensen hauptverantwortlicher Drahtzieher für die Zwangseinweisung und psychiatrische Fehlbehandlung der dänischen ME-Patientin Karina Hansen. Im Februar 2013 drangen 5 Polizisten, 2 Ärzte, 2 Sozialarbeiter und ein Mann vom Schlüsseldienst gewaltsam in das Elternhaus der damals 24-Jährigen ein, hielten die Mutter der um Hilfe Schreienden davon ab, ihr beizustehen, und transportierten die bettlägerige Patientin in das Hammel Neurocenter ab.




In der neurologischen Klinik wurde die junge Frau auf der geschlossenen Station untergebracht. Ihre behandelnden Ärzte wurden von der Research Clinic for Functional Disorders and Psychosomatics instruiert, speziell von Finks Mitarbeiter Niels Balle Christensen. Mehr als eineinhalb Jahre lang traktierte man die schwerkranke Patientin mit Graded Exercise Therapie, Kognitiver Verhaltenstherapie und psychotropen Substanzen. „Ihr bringt mich um“, soll Karina Hansen während der Aktivierungsbehandlung mehrfach zu den Krankenschwestern gesagt haben.

Dass sie mit dieser Vorhersage gar nicht so falsch lag, wird Karina vermutlich nicht mehr wahrnehmen können. Denn vor etwa einem Jahr wurde sie in eine Einrichtung für Menschen mit einer erworbenen Hirnschädigung abgeschoben, wo die Patienten auch vom Stab des Hammel Neurocenters betreut werden. Die psychiatrische Falschbehandlung hat offensichtlich bleibende Schäden hinterlassen, denn Berichten zufolge sitzt Karina jetzt dünn und blass im Rollstuhl, unfähig einen Satz zu sprechen oder gar zu Konversation, schneidet Gesichtsgrimassen und murmelt mit sich selbst. Für dieses „medizinische Wunder“ ließ Per Fink sich auf einem Symposium feiern – nun ja, in einer Hinsicht hat er wirklich Erfolg gehabt, denn den Kampf gegen ihre Misshandler musste Karina Hansen gezwungenermaßen aufgeben.

Freiwillig hätte die junge Frau diesen Kampf sicher nie aufgesteckt. Im Laufe ihrer Krankheit wurde ihr von diversen Ärzten, u.a. auch vom Amtsarzt, volle geistige Gesundheit und Entscheidungsfähigkeit, ausdrücklich auch die Wahl der Behandlung betreffend, attestiert. Und sie musste schon einmal, während eines Klinikaufenthaltes im Jahr 2008, die Erfahrung machen, dass Aktivierung ihren Zustand verschlechterte. Deshalb reagierte sie misstrauisch, als Niels Balle Christensen, der Karina und ihrer Familie im Jahr vor der Zwangseinweisung bereits mehrere Besuche abgestattet hatte, ihr vorschlug, einen Behandlungsplan zu erstellen und anbot, sie in ein Krankenhaus einliefern zu lassen. Seine Behandlungsvorschläge konkretisieren wollte er jedoch nicht und zudem war er nicht bereit, mit dem Anwalt der Familie zu kooperieren, weshalb die Hansens den Kontakt zu ihm abbrachen.

Kein halbes Jahr später wurde Karina gegen ihren erklärten Willen und mit Gewalt aus ihrem Elternhaus herausgeholt. Die Mutter der Patientin bezichtigte man urplötzlich der Vernachlässigung und Karina wurde kurzerhand entmündigt, womit ihre Zwangseinweisung im Nachhinein als gerechtfertigt erscheinen sollte. Mittlerweile wird die Zwangseinweisung von den Veranwortlichen mit der Behauptung verschleiert, es habe sich um einen Akt der Force majeure gehandelt, da Karinas Leben zuhause in Gefahr gewesen sei.

Doch bei einem seiner Besuche im Vorjahr hatte Christensen der Mutter noch vor Zeugen bescheinigt, „einen guten Job zu machen“. Und Karina war weder verrückt noch eine Gefahr für sich selbst oder andere; sie litt einfach nur – als wäre das nicht schon Bürde genug – unter einer schweren Form von ME. „Wie komme ich hier raus? Ich verkrafte es nicht“, fragte Karina ihre Mutter via Handy, kurz nachdem sie in die Klinik eingeliefert worden war. Doch die Verbindung brach ab und es blieben die letzten Worte, die Karinas Mutter ihre Tochter hat sprechen hören. Später stellte sich heraus, dass Karina 43 Mal erfolglos versucht hatte zu telefonieren, bevor der Akku versagte oder ihr das Handy abgenommen wurde. Ihr letzter Anruf galt der Polizei, das Gespräch dauerte 40 Sekunden.

Ihre Eltern durfte sie seit der Zwangseinweisung nicht mehr sehen. Sie könnten ihre (erwachsene!) Tochter womöglich bezüglich deren psychiatrischer Zwangsbehandlung negativ beeinflussen, gab man ihnen zur Begründung. Karina bekam im Mai 2013 einen Vormund, und zwar ausgerechnet den Polizeibeamten Kaj Stendorf, der noch im Februar für ihre gewaltsame Entfernung aus dem Elternhaus verantwortlich gewesen war, zum Zeitpunkt der Vormundschaftsübernahme sich jedoch bereits im Ruhestand befand.

Die Tatsache, dass der ehemalige Polizeichef sich in einem offenkundigen Interessenkonflikt befand, weil er Karinas Zwangseinweisung angeordnet hatte und deshalb niemals ihr Vormund hätte werden dürfen, wurde von den von den Eltern angerufenen Gerichten ignoriert. Das zuständige Gericht vor Ort hörte nicht einmal den Rechtsanwalt der Familie. Auch die nächsthöhere Instanz vermied es, etwas zur Aufklärung des Falles beizutragen. Stendorf wurde vom Gericht nicht als Zeuge vereidigt, wie es der Anwalt der Familie gefordert hatte. Als geladener Vormund sagte er aus, dass er keine Ahnung habe, wie Karina behandelt werde. Er wirkte nervös und stotterte und bekam die Erlaubnis des Richters, die Verhandlung vorzeitig verlassen zu dürfen. Auf diese Weise entzog sich Stendorf einer eingehenderen Befragung.

Fast unnötig zu erwähnen, dass den Anwälten der Familie bis heute keine Kopien der Krankenhausakten vorliegen, ebenso keine Unterlagen, welche die rechtlichen Grundlagen für Karina Hansens Zwangseinweisung und Entmündigung dokumentieren würden. Fakt ist außerdem, dass Karina zwar schwerkrank, jedoch im vollen Besitz ihrer geistigen Kräfte ins Hammel Neurocenter eingeliefert wurde. Entlassen wurde sie jedoch offenbar als Hirngeschädigte in das auf erworbene Hirnschädigungen spezialisierte Heim. Was wurde ihr im Hammel Neurocenter angetan und wer hat das zu verantworten?



Bekannt ist zumindest, dass Karina während ihres Aufenthalts in der neurologischen Klinik umdiagnostiziert wurde, und zwar vermutlich nachdem sich abzuzeichnen begann, dass die psychiatrische Behandlung keine Früchte tragen würde. Niels Balle Christensen einigte sich dem Vernehmen nach gemeinsam mit einigen anderen Psychiatern (unter ihnen Peter White, Mitglied der englischen Wessely-School) auf die Sprachregelung, Karina könne durchaus ME gehabt haben, doch mittlerweile leide sie am Pervasive Arousal Withdrawal Syndrome (PAWS), was man annähernd mit Durchgängiges Erregungs-Rückzugssyndrom übersetzen kann. Diese kinderpsychiatrische Diagnose hat jedoch bislang weder Eingang in das ICD noch ins DSM gefunden.

Es bleibt dabei das Geheimnis dieser Psychiater, wieso sie einer Mittzwanzigerin eine kinderpsychiatrische Diagnose stellen, und wie sie den abrupten Wechsel von einer neurologischen zu einer psychiatrischen Erkrankung erklären. Das ist in etwa so, als ob man einen MS-Patienten nach einem Schub, der ihn endgültig niederstreckt, für geheilt erklärt, und ihm stattdessen eine psychiatrische Krankheit anhängt. Rein wissenschaftlich betrachtet ist diese Vorgehensweise geradezu lachhaft.

Doch weil die Psychiater dabei die Patientin über die Klinge springen ließen, bleibt einem das Lachen im Halse stecken. Denn statt Expertenrat einzuholen, fügten sie ihr lieber mutmaßlich nicht wiedergutzumachenden Schaden zu. Das Angebot von ME-Spezialisten, Karina im Hammel Neurocenter zu besuchen, wurde von Niels Balle Christensen abgelehnt. Auch den Vorschlag, Karinas Blut im Ausland untersuchen zu lassen, schmetterte er ab. Fürchteten Christensen und Fink etwa, dass von der Norm abweichende Laborparameter ihre Hypothese von einer mentalen Verursachung und auch die PAWS-Diagnose hätten zum Einsturz bringen können? Oder mussten sie sogar befürchten, dass die Folgen der psychiatrischen Fehlbehandlung mit einer solchen Untersuchung hätten nachgewiesen werden können?

Spätestens als sich herauszukristallisieren begann, dass Christensen & Co sich verhoben hatten mit ihrer Behandlungsstrategie, hätten sie nach dem ärztlichen Grundsatz primum non nocere handeln und ein Zweitgutachten einholen müssen. Selbst wenn sie zuvor im guten Glauben gehandelt haben sollten, Karina Hansen die bestmögliche Behandlung angedeihen zu lassen, hätten sie ab dem Zeitpunkt, wo deutlich wurde, dass sie einem Irrtum erlegen waren, der sich zum Nachteil der Patientin auswirkte, Experten zu Rate ziehen müssen, um weiteren Schaden von der jungen Frau abzuwenden. Stattdessen diagnostizierte man die iatrogen Geschädigte einfach um, und zwar einzig und allein aus dem Grund, um die eigene gut dotierte psychiatrische Verursachungstheorie nicht ins Wanken zu bringen. Dabei hatte Christensen zugegeben, nicht einmal Erfahrung mit PAWS zu haben und nicht zu wissen, wie es zu behandeln sei. Von ME wohl ganz zu schweigen!

Auch Kaj Stendorf gestattete nicht die Einholung einer medizinischen Zweitmeinung. Seiner Pflicht, Entscheidungen im Sinne seines Mündels zu treffen, ist er somit nicht nachgekommen. Ebensowenig wie Karinas Pflichtverteidigerin Anne Grete Kampmann, die ebenfalls ihrer Klientin das auch in Dänemark eingeräumte Recht auf eine Zweitmeinung verwehrte. Wie Stendorf steht auch Kampmann in einem Interessenkonflikt, denn sie leistet der Gemeinde Holstebro Rechtsbeistand. Deshalb hätte sie gar nicht erst als Anwältin für Karina Hansen bestellt werden dürfen. Darüber hinaus bekamen Prozessbeobachter bei ihrem Auftritt vor Gericht, wo sie mit dem Richter während der Verhandlung vielsagende Blicke tauschte und mit den Augen rollte und den Kopf schüttelte, während der Anwalt der Eltern vortrug, den Eindruck, dass es sich um ein abgekartetes Spiel handelte.

Vormund und Pflichtverteidigerin sind ziemlich offensichtlich nur Marionetten bzw. nützliche Idioten im gesundheitspolitischen Ränkespiel von Psychiatern, Verantwortlichen der Kommune und des dänischen Gesundheitsministeriums. Die Interessen ihres Schützlings vertreten sie auf alle Fälle nicht.



Und Christensen machte überwiegend einander widersprechende Aussagen den Zustand seiner Patientin betreffend. Er behauptete einerseits, lange Gespräche mit Karina geführt zu haben, andererseits, dass sie nicht sprechen könne. Er bezeichnete sie als inkompetent und unfähig, für sich selbst zu sorgen, und dennoch soll sie ihr Einverständnis zu den Behandlungen und zu der Übersiedelung in das Heim für Patienten mit erworbener Hirnschädigung gegeben haben. Karina soll laut Christensen eine Reihe von gesundheitlichen Fortschritten während ihres Klinikaufenthaltes gemacht haben, doch liegen diese allesamt weit unter dem Niveau vor Klinikeinweisung. Immerhin war sie direkt nach der Einweisung noch in der Lage zu telefonieren und sogar die Polizei zu verständigen. Zusätzlich sprach Christensen von einer Mangelernährungsdiagnose. Doch vor ihrer Einweisung aß Karina nach den Ernährungsempfehlungen von ME-Spezialisten und war nicht mangelernährt. Die Mangelernährung muss also unter der Inobhutnahme neu aufgetreten sein. Welche Behandlungen Karina derzeit erhält, ob überhaupt welche und wie sie auf eventuelle Behandlungen reagiert, verriet Christensen nicht.

Das hört sich alles weder fachlich versiert noch nach vertrauenswürdiger ärztlicher Betreuung an. Dennoch findet sich offenbar in ganz Dänemark kein Entscheidungsträger, der dieses grausame Menschenexperiment der Fink-Entourage beenden möchte. Im Gegenteil, es wird von allen Seiten gedeckt. Gesundheitspolitisch steht offenbar zuviel auf dem Spiel. Dass Per Fink & Kollegen eine Umklassifizierung organischer Krankheiten wie z.B. der ME und sämtlicher sogenannter somatoformer Störungen oder medizinisch unerklärlicher Symptome anstreben, kommt auch den Regierenden und ihren Ministerien zupass. Ein Kollateralschaden wie im Falle von Karina Hansen darf da bloß nicht an die große Glocke gehängt werden.

Deshalb ist es ganz unwahrscheinlich, dass Karina Hansen je wieder aus ihrer psychiatrischen Gefangenschaft entlassen wird. Was für ein Gesichtsverlust, wenn bekannt würde, dass die ME-Patientin trotz der vollmundigen Versicherungen der Psychiater, ihr die adäquate Behandlung angedeihen zu lassen, nach zwei Jahren psychiatrischer Zwangstherapie mit Aktivierung und psychotropen Substanzen immer noch nicht laufen kann! Und noch schlimmer, wenn die Presse darüber berichten würde, dass Karina womöglich einen bleibenden Hirnschaden von dieser Behandlung davongetragen hat!

Immens wäre der finanzielle Schaden für den Versicherer Tryg und den Psychopharmakahersteller Lundbeck, die, wie im letzten Blogeintrag dargelegt, Per Finks Forschung mitfinanzieren, wenn öffentlich würde, dass Karinas Zustand sich unter der psychiatrischen Behandlung nicht verbessert, sondern erheblich verschlechtert hat und man daraus schließen könnte, dass ME eben keine psychiatrische, sondern eine organische Krankheit ist. 

Auch auf dem Hintergrund der finanziellen Abhängigkeit wird noch einmal deutlich, weshalb Per Fink & Kollegen eine Patientengeisel wie die schwerkranke Karina Hansen gar nicht freigeben können, denn schließlich wäre mit ihrer Herausgabe das Eingeständnis verbunden, auf der ganzen Linie mit ihrem psychiatrischen Behandlungsregime gescheitert zu sein. Deshalb muss Karina Hansen rund um die Uhr bewacht werden und deshalb wird auch niemand zu ihr vorgelassen. Nicht einmal an Weihnachten oder an ihren Geburtstagen bekommt die Entrechtete ihre Familie zu Gesicht.

Am 7. November wird Karina ihren nunmehr dritten Geburtstag in Folge in psychiatrischer Gefangenschaft begehen müssen. Höchste Zeit, eine internationale Untersuchungskommission ins Leben zu rufen. Denn einzig unabhängige Experten könnten Licht in das Dunkel dieses Falls bringen. Und das scheint dringend geboten. Denn bei all den Ungereimtheiten möchte man mit Prinz Hamlets Freund Marcellus laut rufen: Something is rotten in the state of Denmark …



Wenn Sie für die Anwaltshonorare von Karinas Eltern spenden möchten, können Sie das über ein Spendenportal tun. Alle Spenden werden der niederländischen Patientenorganisation ME/CVS Vereniging überwiesen, die das Geld an Karina Hansens Eltern bzw. den Anwalt weitergibt. Fügen Sie bitte im Kommentarfeld „For Karina Hansen“ ein: https://www.geef.nl/donatiemodule/taal:en/doel:save4children

Hier weitere Infos zu Save4Children: http://www.geef.nl/doel/save4children/

Siehe auch 
https://www.facebook.com/JusticeForKarinaHansen?fref=ts  




Katharina Voss, Copyright 2015